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2. Technisch vermittelte Kommunikation und soziale Systeme

Ziel dieser Arbeit ist die Anwendung der Theorie sozialer Systeme auf einen konkreten Gegenstand und dessen analytische Erfassung. Das rechtfertigt eine pragmatische Beschränkung der theoretischen Komplexität auf das für dieses Vorhaben sinnvolle Maß. Der nun folgende Abriß der theoretischen Grundlagen deutet deshalb meist nur an, was hier nicht diskutiert werden kann, und er tut das unter ausschließlichem Bezug auf Systemtheorie in ihrer von Niklas Luhmann entwickelten Fassung.6

2.1 Bausteine der Systemtheorie

Wie oben bereits erwähnt, bestehen soziale System aus Kommunikationen und zwar ausschließlich nur aus Kommunikationen. Diese Grundelemente werden dynamisch ständig neu erschaffen, indem Kommunikationen beständig neue Anschlußkommunikationen bewirken und so das System reproduzieren.7 Gleichzeitig kann Kommunikation nur innerhalb eines sozialen Systems stattfinden, auf dessen Leistungen sie sich stützt. Für diese kontinuierliche Selbsterschaffung sozialer Systeme durch Kommunikation steht das Konzept ,,Autopoiesis", das von Humberto Maturana aufgrund der Ergebnisse seiner neurophysiologischen Forschungen entwickelt wurde8, und unter anderem auch auf das Nervensystem anwendbar ist. Autopoietische Selbstreproduktion setzt zwingend voraus, daß das System in der Lage ist, zwischen sich und seiner Umwelt zu unterscheiden. Es konstruiert seine Grenze auf der Grundlage der beobachteten Differenz zwischen System und Umwelt. Ohne diese Leistung würden systemeigene Kommunikationen unter der Überzahl von Kommunikationen in der Umwelt verschwinden. Das bedeutet jedoch, daß Systeme ihr Operieren in der Form von Kommunikation nur auf Kommunikationen innerhalb des Systems stützen können, ihnen ihre Umwelt also gänzlich unzugänglich ist. Selbst Beobachtung ist beschränkt auf den Nachvollzug bereits systemintern vorhandener Unterscheidungen.9 Dabei ist die Umwelt eines Systems immer die ganze Welt ohne das System selbst, also nicht etwa nur der für das System relevante Umweltausschnitt.10 Obwohl in der Umwelt andere soziale Systeme enthalten sind, sind diese dennoch für das System nicht als System erkennbar. Die einzige dem System zugängliche System/Umwelt-Differenz ist die eigene. Für den Forscher heißt das, er muß ein fokales System als Bezugspunkt wählen, wenn er Systemtheorie anwendet.11

Aber welche Typen von sozialen Systemen kennt die Systemtheorie eigentlich? Als erstes wäre das Gesellschaftssystem selbst zu nennen, das als größtes soziales System alle überhaupt stattfindenden Kommunikationen umfaßt; und zwar nicht etwa innerhalb politischer oder kultureller Grenzen - ,,Gesellschaft ist heute eindeutig Weltgesellschaft".12 Eine Stufe tiefer finden sich die Funktionssysteme der Gesellschaft, die neben der autopoietischen operativen Geschlossenheit durch Verwendung einer binären Codierung, vollständige Inklusion aller Personen13 und die Erbringung einer ihnen überlassenen gesellschaftlichen Funktion auszeichnet.14 Diese funktionale Differenzierung der Gesellschaft ist eine hochgradig unwahrscheinliche evolutionäre Errungenschaft, die in der modernen Gesellschaft andere Differenzierungsformen, wie die segmentäre und stratifikatorische,15 in den Hintergrund treten läßt.16 Beispiele für Funktionssysteme sind Wirtschaft, Recht, Bildung und die Massenmedien, auf die ich noch näher eingehen werde. Eine weitere Ebene tiefer stößt man auf die Organisationen, in denen Kommunikation in der Form von Entscheidungen stattfindet, und die sich durch formale Mitgliedschaft abgrenzen.17 Eine weitere Eigenschaft von ihnen ist, daß sie als einzige soziale Systeme mit anderen sozialen Systemen in ihrer Umwelt kommunizieren können. Organisationen bilden sich nur als Subsysteme innerhalb von sozialen Systemen (aber nicht nur Funktionssystemen) und besitzen auch intern eine hierarchische Struktur.18 Interaktionssysteme dagegen, die ,,kleinsten" sozialen Systeme, bilden sich immer dann, wenn Kommunikation zwischen körperlich anwesenden Menschen unter der Bedingung gegenseitiger Wahrnehmung stattfindet.19 Dies geschieht, da keiner der beteiligten Kommunikationspartner das für die Vollendung einer Kommunikation notwendige Verstehen beim anderen verifizieren kann. Erst die jeweils nächste Kommunikation kann diese Bestätigung mitführen.20 Als Anschlußkommunikation unterliegt jede Kommunikation immer der von keinem Kommunikationspartner kontrollierbaren autopoietischen Logik eines sozialen Systems. Laut Luhmann sind Interaktionssysteme ausschließlich unter den Bedingungen von Kopräsenz möglich, die Beteiligten an Kommunikation in der Form von Interaktionssystemen müssen körperlich anwesend sein. Interaktionssysteme bilden sich also unter der Bedingung höchstmöglicher Reziprozität der Kommunikation, und ausgehend von der Existenz von Interaktionssystemen kann nun näher bestimmt werden, wie Kommunikation systemtheoretisch beschrieben wird.

Kommunikation ist ein Prozessieren an Hand von Selektionen, und zwar den drei Selektionen Information, Mitteilung und Verstehen.21 Mit der Selektion Information wird eine Unterscheidung durchgeführt, die die nicht zu kommunizierende Information ausschließt; Information ist eine Differenz, die die Struktur eines Systems verändert.22 Mitteilung dagegen steht für die Selektion der Intention, das was mit der Kommunikation dieses Information bezweckt wird. Verstehen schließlich ist die Auswahl des vermutlich Bedeutetem aus dem Kontinuum des durch die Kommunikation möglicherweise Bedeutetem, und zwar unter Rückgriff auf die Differenz zwischen Information und Mitteilung. Verstehen beendet ein Kommunikationsereignis und führt dabei zwingend zur Kommunikation des Verstanden- oder Nichtverstanden-Habens. So oder so mag sich daran eine weitere Kommunikation anschließen, welche die letzte Kommunikation voraussetzt. Solange ein Interaktionssystem existiert, solange die Beteiligten miteinander interagieren, erfolgt diese Anschlußkommunikation zwingend. Auf diese Weise reproduziert sich Kommunikation in einem Interaktionssystem und damit das soziale System selbst in einem ständigen, dynamischen Fluß von Kommunikationsereignissen.

Im Gegensatz zu anderen soziologischen Systemtheorien sind in der Theorie autopoietischer Systeme von Luhmann diese Kommunikationsereignisse die Elemente, die kleinsten und konstitutiven Einheiten eines sozialen Systems. In einem sozialen System existiert nichts außer Kommunikation - keine Menschen, keine Dinge, kein Bewußtsein.

Offensichtlich sind nun all diese Systeme auf Ereignisse in ihrer Umwelt angewiesen, denn was sollte kommunizieren, wenn nicht Menschen? Das widerspricht jedoch nicht dem Postulat autopoietischer Geschlossenheit, denn auch wenn Kommunikation durch Ereignisse im Bewußtsein eines Menschen, durch Gedanken in einem psychischen System angestoßen wird, so kann das Bewußtsein doch nicht kommunizieren, sondern nur denken, und auch Wahrnehmung ist dem psychischen System nur in der Form von Gedanken zugänglich. Psychische Systeme operieren ebenso wie soziale Systeme autopoietisch. Dieses Aufeinander-Angewiesensein beider Arten autopoietischer Systeme wird als strukturelle Kopplung bezeichnet. Aber da sie notwendigerweise immer gemeinsam auftreten und sich sogar koevolutiv, also gemeinsam entwickelt haben, führt Luhmann für diesen Spezialfall der strukturellen Kopplung den Begriff Interpenetration23 ein, und ermöglicht wird sie durch die evolutionäre Errungenschaft Sprache.24

In der Luhmannschen Begrifflichkeit ist Sprache ein Kommunikationsmedium, das sich auch für die Verbreitung von Kommunikation, also als Verbreitunsmedium eignet. Verbreitungsmedien kennzeichnet eine Erhöhung der ,,Reichweite sozialer Redundanz",25 es ist durch sie möglich, den Kreis der von der Kommunikation erreichbaren Personen zu vergrößern und sogar völlig offenzuhalten, wer wann an der Kommunikation teilnimmt. Letzteres kann gesprochene Sprache alleine nicht leisten, es ist erst mit der Entstehung von Schrift möglich geworden, und die Entwicklung von Buchdruck und elektronischen Medien als technikgestützte Verbreitungsmedien ermöglichte schließlich eine immense Ausdehnung der Reichweite von Kommunikation.

2.2 Massenmedien als Funktionssystem

Die bis hierher erarbeiteten begrifflichen Klärungen erlauben es jetzt, ein konkretes Funktionssystem zu betrachten. Dafür wurde das System der Massenmedien ausgewählt, weil es - vermutlich - bisher am direktesten von den Folgen der Entstehung internet-gestützter Kommunikation betroffen ist.

Ein Funktionssystem operiert unter Verwendung einer Leitdifferenz, eines Codes, der das Problem der Anschlußfähigkeit von Kommunikationen entscheidbar macht. Im Fall der Massenmedien ist dieser Code die Differenz Information/Nichtinformation.26 Massenmedien irritieren ihre Umwelt ständig durch einbahnige Kommunikationen, die mittels dieses Codes selektiert werden und bilden Programme aus, die es ihnen erlauben zwischen Information und Nichtinformation zu unterscheiden. Programme sind bereits nötig, um den paradoxen Regreß aufzulösen, daß auch die Information, etwas sei keine Information, informativ ist. Eine weitere Eigenheit dieses Codes liegt in seinem Verhältnis zur Zeit begründet: Information entwertet sich laufend selbst, da eine Information mit ihrer Kommunikation in der Regel den Informationswert verliert und zur Nichtinformation wird.27

Auf der Ebene der Programme erfolgt nun eine Differenzierung in drei Bereiche:

  1. Nachrichten und Berichte
  2. Werbung und
  3. Unterhaltung.

Während ein Funktionssystem auf der Ebene seines Codes nicht mit seiner Umwelt kommunizieren kann, ist auf der Ebene der Programme ein Außenkontakt als ,,strukturelle Kopplung" möglich. Strukturell gekoppelte Systeme stellen sich jeweils gegenseitig Komplexität zur Weiterverarbeitung zur Verfügung.28 Das eine System verläßt sich darauf, daß nur bestimmte Ereignisse in einem Umweltausschnitt auftreten, und das andere System sorgt dafür. Gleichzeitig werden strukturelle Vorkehrungen zur Verarbeitung der durch die strukturelle Kopplung ausgelösten Zustandsänderungen getroffen.29 Im Bereich Nachrichten und Berichte gründen sich beispielsweise viele Kommunikationen des Systems Massenmedien auf die Beobachtung des Funktionssystems Politik, während die Politik aus der Themenwahl der Massenmedien Anhaltspunkte darüber gewinnt, worauf die Öffentlichkeit ihre Aufmerksamkeit richtet.30 Themen dienen den Massenmedien auch in den anderen Bereichen als Selektoren für ihre Kommunikationen und werden von ihnen grundsätzlich der Umwelt entnommen, aber auch verstärkt und angereichert. Das verhindert, daß sie sich in ihrem autopoietischen Prozessieren zu weit von ihrer Umwelt entfernen.

Der Bereich Nachrichten und Berichte unterscheidet sich von den anderen beiden vor allem durch den von ihm erhobenen Wahrheitsanspruch.31 Werbung dagegen verzichtet völlig darauf, sie will nur zum Konsum anregen und bedient sich dabei der Vermittlung von Geschmack und definiert Distinktionsmöglichkeiten. Sie kommuniziert unter enger struktureller Kopplung mit dem Wirtschaftssystem, und so sind beispielsweise die von ihr gezeigten Distinktionsmöglichkeiten nur durch Konsum zugänglich.32 Unterhaltung schließlich umfaßt sowohl fiktionale Darstellungen, als auch Talk- und Spielshows, und alle diese Angebote vermitteln zwar auch Informationen, aber sie erheben nicht den Anspruch zu informieren. Hier scheint Information nur vergängliche Differenz vor dem Hintergrund geteilten Wissens zu sein, die den Rezipienten entweder irritiert oder in seinem Wissen bestätigt. Erleichtert und verstärkt wird dieser Effekt durch die Konstruktion fiktionaler Realität, die als Ausschnitt aus einer zweiten Wirklichkeit Information konzentriert und plausibilisiert.33

Allen Bereichen gemeinsam ist nun, daß sie für gesellschaftliche Kommunikation anschlußfähiges Hintergrundwissen bereitstellen, auf das sich Kommunikation in der Regel nicht erst verständigen muß, sondern das sie voraussetzen kann. Man kann, wenn man die Erleichterung, die diese Selektionsleistung für das Gesellschaftssystem erbringt, auf eine kurze Formel bringt, von der Funktion eines ,,sozialen Gedächtnisses" sprechen, das aber nicht homogen zusammengesetzt ist, sondern durchaus widersprüchliche Bezugsangebote enthält. Es ist offensichtlich, wie sehr gesellschaftliche Kommunikation in einer komplexen, unüberschaubaren Gesellschaft auf diese Leistung angewiesen ist, denn den Einzelpersonen sind nur noch winzige Realitätsausschnitte direkt zugänglich, und hier setzen die Massenmedien mit der Lieferung einer einer Pluralität von nie einfach konsenspflichtigen Realitätskonstruktionen an.34

Gerade durch die enge Verbindung mit Kommunikationen in ihrer gesellschaftlichen Umwelt können die Massenmedien diese Leistung erbringen, aber diese enge Verbindung scheint gleichzeitig gegen die Annahme, die Massenmedien seien ein eigenständiges Funktionssystem, zu sprechen.35 Am leichtesten ist ein Funktionssystem zu identifizieren, wenn es ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium herausgebildet hat, wie es beispielsweise für das Wirtschaftssystem mit dem Medium Geld der Fall ist. Symbolisch generalisierte Kommunikationsmedien, von Luhmann auch ,,Erfolgsmedien" im Unterschied zu Verbreitungsmedien genannt, erhöhen die Annahmechancen einer Kommunikation unter Bedingungen, die eine Ablehnung wahrscheinlicher erscheinen lassen.36 Für die Massenmedien ist kein solches Medium erkennbar, aber das gilt auch für andere Funktionssysteme, wie etwa für das Erziehungssystem.37

Man könnte dieses Fehlen jedoch auch als Kennzeichen eines frühen Entwicklungsstandes eines Funktionssystems betrachten, und tatsächlich dürften sich durch die Nutzung neuer technischer Entwicklungen für Massenkommunikation erhebliche Veränderungen im Funktionssystem der Massenmedien ergeben. Höchstwahrscheinlich wird das Internet dabei eine maßgebliche Rolle spielen (was sich beispielsweise bereits in seiner Verwendung als Trägermedium für Werbung in neuen, zielgruppenspezifischeren38 oder in erhöhtem Maß erfolgskontrollierten39 Formen abzeichnet). Jedenfalls hat es etwas mit den Massenmedien gemeinsam, daß nämlich Kommunikation mit technischen Mitteln vervielfältigt wird, und darauf stützt sich Luhmann bei seiner Definition von Massenmedien.40

2.3 Wann ist ein Netz ein soziales System?

Um auf die Suche nach sozialen Systemen im Internet gehen zu können, muß das Luhmannsche Theoriegestrüpp soweit zurechtgestutzt werden, daß sich eine ausreichende Zahl von Unterscheidungsmöglichkeiten ergibt, die auf Internet-Kommunikation anwendbar sind.

Die einfachste Unterscheidung ist natürlich die von sozialer und ,,nicht-sozialer", also insbesondere technischer Kommunikation. Auch wenn dies beim derzeitigen Stand der Internet-Technik leicht ist, ist diese Unterscheidung dennoch nicht trivial: Das Reden der Netzwerktechniker von kommunizierenden autonomen Systemen und deren Koordinations- und Sicherungsleistungen gestützt auf eine Mehrzahl verschiedener Protokolle unter Berücksichtigung der Art der transportierten Informationen beschwört eine Nähe zur sozialen Kommunikation, die jedoch nur zur Analogie taugen dürfte. Der Sprachverwirrung ist leicht auszuweichen, aber was, wenn beispielsweise die Wahl eines verschlüsselten Übertragungsprotokolls, die sich inhaltlich nicht auswirken darf, dem Inhalt doch die zusätzliche Information ,,ich sorge für die Sicherheit unserer Kommunikation" und damit vielleicht auch ,,sie können mir vertrauen" hinzufügt?

Wenn unser Gegenstand identifiziert ist, dann können wir anfangen zu fragen: Bilden die vorgefundenen Kommunikationen ein sich selbst reproduzierendes System? Kann es anhand von selbst konstruierten Differenzen über die Systemgrenze bestimmen, die System/Umwelt-Differenz beobachten und Kommunikationsereignisse in der Umwelt ausschliessen? Steuert und organisiert es sich selbst und ist eine Regulierung von außen nicht möglich, ohne das der systemische Prozeß gestört wird? Bestimmt es selbst über den Aufbau seiner Binnenstruktur, deren Komplexität41 tendenziell wächst?

Und wenn ja, womit haben wir es zu tun: Einem Organisationssystem, das Subsystem eines bereits existenten Funktionssystems sein kann oder auch nicht? Oder einem neuen Funktionssystem, das eine bisher nicht funktional ausdifferenzierte Leistung für das Gesellschaftssystem erbringt oder mit einem anderen Funktionssystem konkurriert, das sich noch nicht Zugang zum Internet verschaffen konnte? Welche (neuen) strukturellen Kopplungen bestehen zwischen dem System und seiner Umwelt?

Interaktionssysteme jedenfalls kann es laut Luhmann im Internet nicht geben, weil technische Vermittlung Interaktion ausschließt.42 Es fehlt bei technischer Vermittlung an der direkten, nicht kommunikativ gesteuerten Wahrnehmbarkeit des Kommunikationspartners, also an Reziprozität.43 Und doch gibt es technische und soziale Anstrengungen, die auf nichts anderes abzielen, als auf bessere Interaktionsmöglichkeiten und die Schaffung von gegenseitigen Wahrnehmungsmöglichkeiten trotz technischer Vermittlung. Sprach- und Videoübertragung seien hier genannt, aber auch - bei allen hier nötigen Einschränkungen - die ausführliche Selbstdarstellung einschließlich Foto auf ,,Homepages". Die Theorie der Interaktionssysteme ist leider nicht ausgearbeitet,44 das macht es schwer, auf der Gültigkeit des Ausschlußkriteriums ,,technische Vermittlung" zu beharren, ohne Schwellen der Reziprozität benennen zu können, die vielleicht doch irgendwann überwindbar sein werden (oder es bereits sind).45

Kommunikation im Internet ist daher, wie jede schriftliche Kommunikation, gekennzeichnet durch den Aufschub der letzten der drei Selektionsstufen der Kommunikation.46 Verstehen findet erst statt, wenn die Kommunikation irgendeinen Kommunikationspartner erreicht, ganz egal wie lange die meist schriftliche Botschaft schon auf diesen wartet, oder wie oft dies schon passiert ist. Daß letzteres möglich ist, macht es tauglich für die Verwendung als Verbreitungsmedium, und wirft schließlich noch die Frage auf, wie und wodurch diese Verbreitung über die technischen Möglichkeiten hinaus sozial kontrolliert wird.


6 Referenztexte sind dabei ,,Die Gesellschaft der Gesellschaft" (Frankfurt/Main 1997), im Folgenden mit ,,GdG" abgekürzt, dann wo nötig ,,Soziale Systeme. Grundriß einer allgemeinen Theorie" (Frankfurt/Main 1987, Erstausgabe 1984), abgekürzt mit ,,SoSy", und für das System der Massenmedien ,,Die Realität der Massenmedien" (2., erw. Auflage Opladen 1996), ,,RdM".

7 vgl SoSy S.192f, sowie zu Kommunikation S.225ff

8 vgl. GdG S.65f

9 vgl. SoSy S.245

10 vgl. SoSy S.249

11 vgl. SoSy S.244

12 SoSy S.585

13 Damit sind kommunikativ konstruierte Aktormodelle gemeint, denen Handlungen zugeschrieben werden, und nicht etwa Menschen.

14 GdG S.748

15 Segmentäre Differenzierung heißt, die Gesellschaft untergliedert sich in einzelne, nebeneinander existente Teile (vgl. GdG S.634). Von stratifikatorischer Differenzierung spricht man, wenn Rangunterschiede zu einer Unterteilung in gesellschaftsweite Schichten führen (vgl. GdG S.679).

16 GdG S.743

17 vgl GdG S.829f

18 vgl. GdG S.834f

19 vgl. GdG S.814

20 SoSy S.198

21 SoSy S.194f

22 GdG S.190

23 vgl. SoSy S.289ff

24 vgl. GdG S.108, sowie S.211

25 GdG S.202

26 RdM S.36

27 RdM S.37

28 vgl. GdG S.101f

29 Luhmann spricht von einer Digitalisierung analoger Verhältnisse (GdG S.101).

30 vgl. RdM S.124

31 vgl. RdM S.73

32 vgl. RdM S.86

33 vgl. RdM S.98f

34 RdM S.164

35 GdG S.1102

36 GdG S.204

37 Ein symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium ist insbesondere dann nötig, wenn die Leistungen des Systems mit ,,hoher Ablehnungswahrscheinlichkeit" rechnen müssen, ansonsten wohl weniger (vgl. GdG S.407f).

38 Am Endpunkt dieser Entwicklung stünde Einblendungen von Werbung in Internet-Kommunikation, die sich an den individuellen Interessen des Benutzers orientiert.

39 Wie auch immer dieser ,,Erfolg" definiert wird, es sind vielfältige Erfassungsmöglichkeiten für Annahme und Ablehnung des Werbeangebots vorstellbar. Probleme, wie sie sich bereits bei der Messung der Einschaltquote im Rundfunkbereich stellen, sind im Internet vermeidbar.

40 RdM S.10

41 Nach Luhmann ist ein System komplex, wenn Elemente aufgrund ihrer Zahl nicht mehr mit allen anderen verknüpft werden können (SoSy S.46). Der Vergleich zweier dadurch gekennzeichneten Komplexitäten bezieht sich dann jedoch schlicht auf das quantitative Verhältnis der Zahl der Elemente und der Zahl ihrer realisierten Relationen, wobei erst das Vorliegen eines quantitativen Gefälles für beide Merkmale die Identifikation als größere oder geringere Komplexität erlaubt (SoSy S.49).

42 RdM S.11

43 vgl. GdG S.814

44 vgl. GdG S.816

45 Im übrigen möchte ich der Einschätzung von Josef Wehner folgen, daß Interpretationen und Analysen der Netzwerkkommunikation auf der Grundlage des ,,Interaktions-Paradigmas" zu kurz greifen. (Medien als Kommunikationspartner - Zur Entstehung elektronischer Schriftlichkeit im Internet. In: Gräf, Lorenz/Rost, Martin: Soziologie des Internet. Handeln im elektronischen Web-Werk. Frankfurt/New York 1997. S. 125-149).

46 GdG S.258

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Steff Huber